Options
Die Engelsdarstellungen von Paul Klee : Verwendung und Verfremdung eines religiösen Sujets
Zilch, Harriet (2009): „Die Engelsdarstellungen von Paul Klee : Verwendung und Verfremdung eines religiösen Sujets“. Bamberg: opus.
Author:
Alternative Title:
Paul Klee’s Depictions of Angels. The Appropriation and Alienation of a Religious Subject
Volume Number/Title:
1. Textband. - 2009. - 327 Bl. : Ill.
2. Abbildungsband. - 2009. - 176 Bl. : Ill.
Publisher Information:
Year of publication:
2009
Supervisor:
Year of first publication:
2005
Language:
German
Remark:
Bamberg, Univ., Diss., 2005
Licence:
Abstract:
Thema der vorliegenden Studie sind die 77 Engelsdarstellungen, die sich im Œuvre von Paul Klee (1879-1940) ausmachen lassen. Mit dieser Vielzahl an Werken stellt das Engelsmotiv ein Bildthema dar, das Klee während seiner gesamten Schaffenszeit begleitet. Als erste der Arbeiten ist die kleine Federzeichnung „Ein Engel überreicht das Gewünschte“ aus dem Jahr 1913 zu nennen. Vereinzelte Engeldarstellungen folgen kontinuierlich, wie zum Beispiel 1918 die aquarellierte Federzeichnung „Angelus descendens“, in der Klee das Motiv der Himmelfahrt ins Gegenteil verkehrt und einen auf die Erde herabsteigenden Engel zeigt. Zwei Jahre später entsteht der auf Grund der ihn betreffenden Schriften Walter Benjamins berühmt gewordene Angelus Novus. Benjamin, der die Ölpause 1921 in Berlin erwirbt, beschäftigte sich literarisch so intensiv mit dem „Angelus Novus“, dass der dargestellte Engel zu einer Art „Geheimallegorie“ wird: einer Allegorie des Überlebens in der historischen Katastrophe. Die Majorität der Engelsdarstellungen ist jedoch dem Spätwerk von Paul Klee zuzuordnen. In seinen letzten beiden Lebensjahren 1939 und 1940 schuf Klee 55 der insgesamt 77 Werke mit Engelsmotiv. Ein Großteil dieser späten Arbeiten sind Zeichnungen, meist einfachst mit Bleistift oder Tinte auf Papier festgehalten. Klees Zeichenstil ist rein linear und ökonomisch, Schraffuren fehlen und auch ein Hintergrund ist nicht definiert. Die Linien umschreiben die einzelnen Körperteile der Figur, wobei die unregelmäßigen Flächenstücke häufig undefinierbar und damit unbenennbar bleiben. Jedoch geben sie trotz ihrer formalen Reduzierung den Eindruck einer komplexen Figur mit volumenhaftem Körper wider. Die Engelszeichnungen entstehen, wie generell die Zeichnungen des Spätwerkes, sehr zügig. Lily Klee beschreibt, ihr Mann würde bis 11 Uhr abends am Tisch sitzen und „Blatt für Blatt“ würde zu Boden fallen. Trotz der Schnelligkeit des Entstehungsprozesses, findet bei jeder Zeichnung jedoch eine systematische Katalogisierung statt, die im Spätwerk Klees einen zunehmenden Stellenwert gewinnt. Offensichtlich diente diese nahezu „buchhalterische“ Tätigkeit in einer existentiell veränderten Lebenssituation der Selbstvergewisserung. Auch in den Zeichnungen mit Engelsmotiv setzt Paul Klee den inhaltlichen Schwerpunkt auf den Zustand des „Nicht-Vollendetseins“. Seine Engel sind „noch hässlich“, „noch weiblich“, „im Schreiten noch unerzogen“ oder schlicht „unfertig“. Damit spiegelt sich hier ein Grundprinzip der Kunst Klees: seine Wahrnehmung der Welt als Prozess, als ein einheitliches Ganzes voller Bewegung und Lebendigkeit: „Bewegung liegt allem Werden zugrunde“ („Schöpferische Konfession“, 1920). Der Schwerpunkt auf dem Zeichnerischen vermittelt ein für das Œuvre Klees repräsentativen Eindruck. Obwohl Klee heute als Maler große Popularität genießt, sieht er sich in den Anfangsjahren seiner künstlerischen Laufbahn als Zeichner und Illustrator. Zwar gewinnt die Farbe seit seiner Tunisreise (1914) an Bedeutung, dennoch entstehen Gemälde mit Engelsmotiv erst in Klees letztem Lebensjahrzehnt: 1934 malt Klee das abstrakte Werk „Engel im Werden“. Vier Jahre später folgt sein „Erzengel“, der, wie die vorliegende Studie zeigen wird, in seiner Reduktion formal und ästhetisch von der islamischen Kalligraphie beeinflusst ist. 1939 malt Klee das von ihm nicht mehr signierte und betitelte Gemälde „Ohne Titel [letztes Stillleben]“, in welches er als „Bild im Bild“ die Handzeichnung „Engel, noch hässlich“ integriert. Im Sterbejahr 1940 entstehen die Gemälde „ANGELUS MILITANS“ und das ebenfalls unsigniert und unbetitelt gebliebene Werk „Ohne Titel [Der Todesengel]“. Zur Interpretation der Engelsdarstellungen wurden einerseits werkimmanente Vergleiche unternommen, um stilistische und inhaltliche Bezüge herstellen zu können. Darüber hinaus wurde versucht, die vielschichtigen Einflussfaktoren auf das bildnerische Denken Klees auszumachen. So ist eine intensive Beschäftigung mit der christlichen Religion festzustellen, die sich in den wiederkehrenden christlichen Motiven dokumentiert. Auch eine gedankliche wie bildnerische Auseinandersetzung mit Mythologien – vor allem der griechische Mythologie – ist zu beobachten. Geistesgeschichtliche Strömungen – wie beispielsweise die deutsche Romantik – spiegeln sich ebenfalls in Klees Werken. Eine konkrete Benennung der vielschichtigen Einflussfaktoren erweist sich oft als komplex, da Klee mit seinen Inspirationsquellen abstrahierend verfährt. Er „rebelliert“ gegen geistesgeschichtliche Traditionen und deutet ikonographische Zusammenhänge nachhaltig um.
The object of this study is the 77 depictions of angels that can be found in the œuvre of Paul Klee (1879-1940). This large number indicates that the angel motif was a pictorial theme re-occurring throughout Klee’s creative life. The first of the works is a small pen and ink drawing, “An Angel Fulfils a Desire”, dating from 1913. Individual depictions of angels follow persistently, e.g. the water-coloured pen and ink drawing “Angelus Descendens” from 1918, in which Klee turns the theme of the Ascension into its opposite and shows an angel descending to earth. Two years later, he produced “Angelus Novus”, which became famous as the subject of essays by Walter Benjamin. Benjamin acquired the oil sketch in Berlin in 1921, and he wrote so intensively about the “Angelus Novus” that the angel depicted developed into a kind of “secret allegory”: an allegory of survival in face of a historic catastrophe. However, the majority of angel images belong to Paul Klee’s late work. Klee produced 55 of the 77 works that include the angel motif in his last two years of life, 1939 and 1940. A large proportion of these late works are drawings, usually captured very simply using pencil or ink on paper. Klee’s style of drawing is purely linear and economical; there is no hatching or defined background. The lines describe the separate parts of the figure’s body, whereby the irregular flat forms are often impossible to define and therefore to name. But despite their reduction, they convey the impression of a complex figure with a solid body. Like the drawings of his late work in general, these drawings of angels were produced very rapidly. Lily Klee describes how her husband would sit at the table until 11 pm, while “sheet after sheet” fell to the floor. Despite the speed of the production process, each drawing was catalogued systematically; this developed an increasing importance in Klee’s late work. Obviously an activity so close to “book-keeping” served the purpose of self-assurance after existential changes had come about in his life situation. In the case of his drawings with angel motif, Paul Klee described the content in terms of a state of “non-completion”. His angels are “still ugly”, “still female”, the stride is “still wilful” or they are simply “unfinished”. A basic principle of Klee’s art is thus reflected here: his perception of the world as a process, as a unified whole filled with movement and vitality: “Movement is the basis of all becoming” (“Schöpferische Konfession”, 1920). Emphasis on the graphic work leads to a representative impression of Klee’s œuvre. Although Klee is very popular as a painter today, he saw himself as a draftsman and illustrator in the early years of his artistic career. Colour developed more significance after his trip to Tunisia (1914), certainly, but paintings with an angel motif were not produced until Klee’s final decade of life: in 1934, he painted the abstract work “Angel Becoming”. Four years later, this was followed by his “Archangel”, which – as this study will demonstrate – was influenced by Islamic calligraphy in its form and aesthetics of reduction. In 1939 Klee painted “Untitled [Final Still-life]”; a work left without signature or title, into which he integrated the hand drawing “Angel, still ugly” as a “picture within the picture”. In 1940, the year of his death, he painted “ANGELUS MILITANS” and another painting that remained unsigned, “Untitled [The Angel of Death]”. To interpret Klee’s depictions of angels, on the one hand comparisons inherent to the works have been made, so creating references of style and content. In addition, an attempt has been undertaken to identify the complex factors that influenced Klee’s artistic ideas. It is possible, for example, to establish an intense preoccupation with the Christian religion, which is documented in recurring Christian motifs. One can also observe an intellectual and artistic interest in mythologies – primarily in Greek mythology. Trends in the history of ideas – like German Romanticism, for instance – are also reflected in Klee’s works. It is often difficult to pin down specifically these complex factors of influence, since Klee handled his sources of inspiration in an abstracting manner. He “rebelled” against tradition in intellectual history and reinterpreted iconographic contexts to great effect.
GND Keywords: ; ;
Klee, Paul
Zeichnung
Engel <Motiv>
Keywords: ; ; ; ; ; ; ; ; ;
Paul Klee, Engel, Angelus Novus, Walter Benjamin
Paul Klee, angels, Angelus Novus, Walter Benjamin
Paul Klee
Engel
Angelus Novus
Walter Benjamin
Paul Klee
angels
Angelus Novus
Walter Benjamin
DDC Classification:
Type:
Doctoralthesis
Activation date:
June 15, 2009
Permalink
https://fis.uni-bamberg.de/handle/uniba/184