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Inducing behavior change with the help of information systems : Cross-domain applications, mechanisms, and real-world impact
Günther, Sebastian A. (2024): Inducing behavior change with the help of information systems : Cross-domain applications, mechanisms, and real-world impact, Bamberg: Otto-Friedrich-Universität, doi: 10.20378/irb-93580.
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Publisher Information:
Year of publication:
2024
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Supervisor:
Language:
English
Remark:
Kumulative Dissertation, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 2024
DOI:
Abstract:
Die Bereitstellung von Feedback ist eines der gängigsten Mittel zur Verhaltensbeeinflussung, das in zahlreichen Bereichen des Lebens Anwendung findet (z. B. Fry und Neff, 2009; Karlin et al., 2015; Van der Kleij et al., 2015). Feedback, was die wissenschaftliche Literatur üblicherweise als Prozess definiert, in dem einem Individuum Informationen über sein Verhalten gegeben werden, um die nachfolgenden Aktionen zu beeinflussen, hilft Individuen, indem es bspw. die Aufmerksamkeit auf Handlungen lenkt, Fehlvorstellungen über Ursache-Wirkungsbeziehungen korrigiert und somit Feedback-Empfänger beim Erlernen und Anwenden von effektiven Strategien zur Verhaltensregulation unterstützt (Hattie und Timperley, 2007; Karlin et al., 2015; Kluger und DeNisi, 1996). Eine zentrale Voraussetzung zur Generierung von Feedback sind Verhaltensdaten, die in der Vergangenheit teilweise manuell erfasst werden mussten, heutzutage jedoch durch die Verbreitung der Informationstechnologie (IT) zunehmend automatisiert und hochaufgelöst in quantitativer Form zur Verfügung stehen. In Anbetracht dieser neu gewonnenen Datenquelle lassen sich die Effekte von Feedback-Interventionen auf viele Alltagshandlungen mit einer außergewöhnlich hohen externen Validität bewerten und dabei das Verständnis über die Wirkmechanismen von Feedback grundlegend erweitern. Das Verständnis ist einerseits erforderlich, um die gängigen Theorien zu den Wirkungsweisen von Feedback weiterzuentwickeln, und andererseits nützlich für politische Entscheidungsträger und Organisationen, die bereits großflächig auf Interventionen wie Informationskampagnen oder monetäre Anreize setzen (z. B. Bandiera et al., 2007; Brambila-Macias et al., 2011; Sierzchula et al., 2014) mit dem Ziel, wichtige Kennzahlen unserer Gesellschaft (z. B. Klimaschutz, Lebenserwartung, Produktivität) durch Verhaltensänderungen im Alltag zu verbessern.
Trotz der hohen Relevanz von IT-basierten Feedback-Interventionen für die Erforschung von Wirkmechanismen bestehen noch einige offene Fragen, die beantwortet werden müssen, um das Potenzial von Feedback nachhaltig für politische Entscheidungsträger und Organisationen zu heben. So wird in der Forschungsliteratur oftmals Feedback mit anderen Interventionen wie Geldanreizen oder moralischen Appellen kombiniert, ohne die Einzelwirkung der verwendeten Interventionen herauszuarbeiten. Dadurch ist unklar, welche Wechselwirkung zwischen den Interventionen und Feedback vorherrscht (cf. Fang et al., 2023; Liebe et al., 2018), was die Theorieentwicklung über die Auswirkungen von Feedback erschwert. Theoretisch betrachtet kann bspw. eine Intervention Feedback symbiotisch ergänzen, indem diese zusätzliche Antezedenzien eines Verhaltens so beeinflusst, dass die kumulative Wirkung beider Interventionen die Summe ihrer Einzeleffekte übersteigt. Andererseits kann eine Intervention auch die Wirkung von Feedback abschwächen, indem sie den Fokus der Feedback-Empfänger von dem Inhalt der Verhaltensrückmeldung weglenkt. Für die praktische Anwendung von Verhaltensinterventionen hat ein tieferes theoretisches Verständnis über solche Wechselwirkungen ebenfalls eine hohe Relevanz. Einerseits schafft die Kontrastierung unterschiedlicher Interventionen Wissen darüber, wie sich die Effektgrößen verschiedener Interventionen zu der von Feedback unterscheiden. Zum anderen hilft das Verständnis über Wechselwirkungen mit Feedback bei der Implementierung von ökonomisch effizienten Verhaltenskampagnen, da ungünstige Wechselwirkungen vermieden werden können.
Vor diesem übergeordneten Forschungshintergrund wirft diese kumulative Dissertation mit insgesamt neun Forschungspapieren einen nuancierten Blick auf die Wirkung von Feedback-Interventionen, die darauf abzielen, Individuen bei Verhaltensänderungen in Alltagshandlungen durch Leistungsrückmeldungen zu unterstützen. Dabei werden Forschungsfragen zu den Auswirkungen von Feedback-Interventionen in den Bereichen Umwelt, Online-Lernen und Gesundheit untersucht, wodurch die Dissertation eine weite Bandbreite von Alltagshandlungen – von routinebasierten Handlungen wie dem Händewaschen bis zu kognitiv komplexen Handlungen wie dem Lernen – abdeckt. Zur Beantwortung der Forschungsfragen greift sie auf umfangreiche Verhaltensdaten zurück, welche die Dissertation mittels Adaption vorhandener Informationssysteme (IS) oder der Entwicklung dedizierter IT-Werkzeuge im Feld gewinnt. Damit folgt die Dissertation einer kürzlichen Aufforderung innerhalb der IS-Disziplin (Burton-Jones et al., 2021), die Vorhersagekraft etablierter Theorien unter den neuen Gegebenheiten der digitalen Transformation zu evaluieren, um über deren weitere Passung zu theoretisieren. Für die ganzheitliche Adressierung des Themenfelds beinhaltet die kumulative Dissertation ein einführendes Kapitel und neun Forschungspapiere, die wie folgt auf zwei Kapitel aufgeteilt sind.
Kapitel 1: Instanziierung und Validierung gewährt einen exemplarischen Einblick in die technische Entwicklung und Validierung von IT-Werkzeugen, die in den Forschungspapieren zur Bereitstellung von Feedback benötigt werden. Hierbei zeigt das Kapitel für zwei relevante Anwendungsfälle, dass in den zugehörigen Verbrauchsdaten Informationen enthalten sind, wodurch gewisse Personen oder Verbrauchsereignisse erkannt werden können. Diese Informationen sind damit Grundlage für nachgelagerte Anwendungen, mit denen spezifischere und damit potenziell wirkungsvollere Feedback-Interventionen ermöglicht werden sollen. Ebenso veranschaulicht das Kapitel am Beispiel eines konzipierten Feedback-Systems zur Verbesserung der Handhygiene, dass bestehende Barrieren in der Verbreitung von Feedback-Systemen durch neue Möglichkeiten der Digitalisierung überwunden werden können.
Kapitel 2: Evaluation und Empfehlungen beleuchtet schließlich die Auswirkungen von Feedback-Interventionen auf Alltagshandlungen und untersucht im Einklang mit theoretischen Erkenntnissen, inwiefern die Verhaltensreaktionen von den Eigenschaften der Feedback-Empfänger (z. B. Einstellungen, Ausgangsniveau des Verhaltens) abhängen. Dabei liefert jedes durchgeführte Experiment des Kapitels einen spezifischen Beitrag für die Theorie und bewertet zugleich die praktische Bedeutung der untersuchten Interventionen. Das Kapitel liefert zunächst anhand eines natürlichen Experiments im Umweltbereich Evidenz, dass Organisationen, die ihre CO2-Emissionen durch Umweltprojekte kompensieren und das salient ihren Kunden gegenüber kommunizieren, den Ressourcenverbrauch der Kunden erhöhen. Während sich der im Experiment beobachtete Mehrverbrauch der Kunden durch die Folgenlosigkeit ihres Handelns auf den Klimawandel und das daraus reduzierte moralische Verantwortungsbewusstsein erklären lässt (cf. Onwezen et al., 2013), hat die zusätzliche Bereitstellung von Echtzeit-Feedback diesem ungünstigen Verbrauchsanstieg entgegengewirkt. Mit einer anderen großangelegten randomisiert kontrollierten Studie erbringt das Kapitel zudem empirische Evidenz, dass kontingente Geldanreize, entgegen der Vorhersage der Motivation Crowding Theory (Deci et al., 1999), nicht die intrinsische Motivation zum Ressourcenschonen untergraben. Stattdessen führte der evaluierte Geldanreiz zu verhaltensbedingten Ressourceneinsparungen, was gemäß dem Standardmodell der klassischen Ökonomie auf eine Nutzensteigerung des Ressourcenschonens durch den Geldanreiz zurückzuführen ist (cf. Berg, 2010). Interessanterweise bewirkte Verbrauchsfeedback jedoch deutlich höhere Einsparungen, die nicht durch den Geldanreiz verstärkt wurden, was belegt, dass die Wirkung vom Verbrauchsfeedback dominant ist. Ergänzende Analysen, die darauf abzielen, die Effekte hinsichtlich ihrer Heterogenität zu untersuchen, unterstreichen die Robustheit der Haupteffekte in Anbetracht spezifischer Eigenschaften der Studienteilnehmer und zeigen, dass Vielverbraucher tendenziell stärker durch die Interventionen einsparten.
Das Kapitel greift das Thema der Heterogenität auch im Bereich des Online-Lernens auf. Dort leistet das Kapitel einen Beitrag, indem es eine theoretische Erklärung für die heterogenen Effekte von vergleichendem Feedback auf die Lernunterstützung durch digitale Lernplattformen liefert. Hierbei zeigen zwei randomisiert kontrollierte Studien, dass vergleichendes Feedback, das unter Berücksichtigung von theoretischen Implikationen der Social Norms Theory gestaltet wurde (Berkowitz, 2005; Schultz et al., 2007), akademisches Aufschiebeverhalten (sog. Prokrastinationsverhalten) auf digitalen Lernplattformen reduzieren kann. Das einführende Kapitel der kumulativen Dissertation, das Kapitel 1 und 2 voransteht, liefert zudem ergänzende Informationen, welche belegen, dass dadurch der Kurserfolg der Studierenden verbessert wurde. Kapitel 2 schließt mit zwei Beiträgen, die einen Ausblick auf weiterführende Feldexperimente geben. So zeigt ein Forschungspapier ein experimentelles Design zur Evaluation einer Feedback-Komponente auf, die durch Anwendung maschineller Lernverfahren personenspezifische Lernvorschläge bereitstellt. Damit sollen digitale Lernplattformen befähigt werden, bei der Lernunterstützung durch Feedback automatisch interpersonelle Unterschiede zu berücksichtigen (cf. Pintrich et al., 1991; Pintrich, 2004). Letztendlich berücksichtigt das Kapitel interpersonelle Unterschiede auch bei der Untersuchung von Verhaltensänderungen im Bereich der Routinehandlungen. Diesbezüglich stellt es ein Forschungsdesign am Beispiel des Händewaschens vor, mittels dessen die Auswirkungen von Verhaltensinterventionen auf relevante Antezedenzien des Händewaschens untersucht und quantifiziert werden können.
Die in der Dissertation gewonnenen Erkenntnisse tragen auf vielfältige Weise zum Stand der Forschung bei. Es wird nicht nur das Verständnis über die Wirkung von IT-basierten Feedback-Interventionen erweitert, sondern auch die Wechselwirkung von Feedback mit anderen Interventionen untersucht. Damit werden widersprüchliche theoretische Vorhersagen aus der Literatur aufgelöst und die Aussagekraft von spezifischen Theorien in Bezug auf Feedback entweder erhärtet oder infrage gestellt. Dabei lassen einige Experimente durch ihren relativ langen Beobachtungszeitraum tiefergehende Schlüsse auf die zeitliche Dynamik und die Stabilität der Verhaltensauswirkungen zu. Über verschiedene Verhaltensdomänen hinweg erweitert somit die Dissertation grundlegend das Verständnis über die Auswirkungen von Feedback, wobei dieses auch oft in direkten Vergleich zu anderen Verhaltensinterventionen gesetzt wird, die anhand von IT skalierbar umgesetzt werden können (z. B. Umweltappelle, Geldanreize, automatischer Emissionsausgleich bei Umwelthandlungen). Gerade hierdurch entstehen einige wichtige Impulse für die Theorieentwicklung. Demnach könnte zukünftige Forschung bspw. bestehende Theorien weiterentwickeln, um deren Aussagekraft zu den Interaktionseffekten von Feedback und anderen Interventionen zu steigern.
Gleichermaßen sind die gewonnenen Erkenntnisse der Dissertation auch für die Praxis relevant. Für verschiedene Handlungen belegen die Ergebnisse, dass Feedback-Interventionen große, wünschenswerte Effekte haben. Feedback kann bspw. nicht nur ungünstige Nebeneffekte von anderen Interventionen verhindern (d. h. Mehrverbrauch durch Klimakompensationsprogramme), sondern auch über längere Zeit verhaltensbedingte Umwelteinsparungen induzieren – und das in Situationen, in denen die Feedback-Empfänger dadurch keinen finanziellen Nutzen haben. Hierbei zeigt insbesondere der Vergleich verschiedener Interventionen, dass Feedback einige nennenswerte Vorteile gegenüber Umweltappellen oder Geldanreizen besitzt. Ebenfalls demonstrieren die Studien im Bereich des digitalen Lernens, dass eine leicht umsetzbare Feedback-Intervention einen deutlichen Effekt auf die Onlineaktivitäten und die Verminderung der Prokrastination von Studierenden haben kann. Somit können die Ergebnisse der Dissertation in IS und IT-Systeme einfließen, bei denen das Ziel besteht, entsprechende Verhaltensänderungen zu bewirken.
Insgesamt veranschaulicht diese Dissertation, welches Potenzial in IT-basiertem Feedback steckt, um bedeutsame Kennzahlen unserer Gesellschaft (z. B. Klimaschutz, Produktivität) zu verbessern. Dabei verdeutlicht die Dissertation insbesondere, dass die damit verbundenen Hard- und Softwarelösungen oftmals noch adaptiert oder gar implementiert werden müssen, um möglichst wirkungsvolle und gleichzeitig verhaltenstheoretisch interessante Feedback-Interventionen zu erzeugen. Denn gerade bei Alltagshandlungen, bei denen kognitive Entscheidungsprozesse primär instinktiv sind und unbewusst stattfinden (d. h. auf System 1-Prozessen basieren nach Kahneman, 2012), erwirken Feedback-Interventionen, die zunehmend durch IT skalierbar ermöglicht werden, verhältnismäßig große Effekte auf das Handeln (cf. Kluger und DeNisi, 1996).
Trotz der hohen Relevanz von IT-basierten Feedback-Interventionen für die Erforschung von Wirkmechanismen bestehen noch einige offene Fragen, die beantwortet werden müssen, um das Potenzial von Feedback nachhaltig für politische Entscheidungsträger und Organisationen zu heben. So wird in der Forschungsliteratur oftmals Feedback mit anderen Interventionen wie Geldanreizen oder moralischen Appellen kombiniert, ohne die Einzelwirkung der verwendeten Interventionen herauszuarbeiten. Dadurch ist unklar, welche Wechselwirkung zwischen den Interventionen und Feedback vorherrscht (cf. Fang et al., 2023; Liebe et al., 2018), was die Theorieentwicklung über die Auswirkungen von Feedback erschwert. Theoretisch betrachtet kann bspw. eine Intervention Feedback symbiotisch ergänzen, indem diese zusätzliche Antezedenzien eines Verhaltens so beeinflusst, dass die kumulative Wirkung beider Interventionen die Summe ihrer Einzeleffekte übersteigt. Andererseits kann eine Intervention auch die Wirkung von Feedback abschwächen, indem sie den Fokus der Feedback-Empfänger von dem Inhalt der Verhaltensrückmeldung weglenkt. Für die praktische Anwendung von Verhaltensinterventionen hat ein tieferes theoretisches Verständnis über solche Wechselwirkungen ebenfalls eine hohe Relevanz. Einerseits schafft die Kontrastierung unterschiedlicher Interventionen Wissen darüber, wie sich die Effektgrößen verschiedener Interventionen zu der von Feedback unterscheiden. Zum anderen hilft das Verständnis über Wechselwirkungen mit Feedback bei der Implementierung von ökonomisch effizienten Verhaltenskampagnen, da ungünstige Wechselwirkungen vermieden werden können.
Vor diesem übergeordneten Forschungshintergrund wirft diese kumulative Dissertation mit insgesamt neun Forschungspapieren einen nuancierten Blick auf die Wirkung von Feedback-Interventionen, die darauf abzielen, Individuen bei Verhaltensänderungen in Alltagshandlungen durch Leistungsrückmeldungen zu unterstützen. Dabei werden Forschungsfragen zu den Auswirkungen von Feedback-Interventionen in den Bereichen Umwelt, Online-Lernen und Gesundheit untersucht, wodurch die Dissertation eine weite Bandbreite von Alltagshandlungen – von routinebasierten Handlungen wie dem Händewaschen bis zu kognitiv komplexen Handlungen wie dem Lernen – abdeckt. Zur Beantwortung der Forschungsfragen greift sie auf umfangreiche Verhaltensdaten zurück, welche die Dissertation mittels Adaption vorhandener Informationssysteme (IS) oder der Entwicklung dedizierter IT-Werkzeuge im Feld gewinnt. Damit folgt die Dissertation einer kürzlichen Aufforderung innerhalb der IS-Disziplin (Burton-Jones et al., 2021), die Vorhersagekraft etablierter Theorien unter den neuen Gegebenheiten der digitalen Transformation zu evaluieren, um über deren weitere Passung zu theoretisieren. Für die ganzheitliche Adressierung des Themenfelds beinhaltet die kumulative Dissertation ein einführendes Kapitel und neun Forschungspapiere, die wie folgt auf zwei Kapitel aufgeteilt sind.
Kapitel 1: Instanziierung und Validierung gewährt einen exemplarischen Einblick in die technische Entwicklung und Validierung von IT-Werkzeugen, die in den Forschungspapieren zur Bereitstellung von Feedback benötigt werden. Hierbei zeigt das Kapitel für zwei relevante Anwendungsfälle, dass in den zugehörigen Verbrauchsdaten Informationen enthalten sind, wodurch gewisse Personen oder Verbrauchsereignisse erkannt werden können. Diese Informationen sind damit Grundlage für nachgelagerte Anwendungen, mit denen spezifischere und damit potenziell wirkungsvollere Feedback-Interventionen ermöglicht werden sollen. Ebenso veranschaulicht das Kapitel am Beispiel eines konzipierten Feedback-Systems zur Verbesserung der Handhygiene, dass bestehende Barrieren in der Verbreitung von Feedback-Systemen durch neue Möglichkeiten der Digitalisierung überwunden werden können.
Kapitel 2: Evaluation und Empfehlungen beleuchtet schließlich die Auswirkungen von Feedback-Interventionen auf Alltagshandlungen und untersucht im Einklang mit theoretischen Erkenntnissen, inwiefern die Verhaltensreaktionen von den Eigenschaften der Feedback-Empfänger (z. B. Einstellungen, Ausgangsniveau des Verhaltens) abhängen. Dabei liefert jedes durchgeführte Experiment des Kapitels einen spezifischen Beitrag für die Theorie und bewertet zugleich die praktische Bedeutung der untersuchten Interventionen. Das Kapitel liefert zunächst anhand eines natürlichen Experiments im Umweltbereich Evidenz, dass Organisationen, die ihre CO2-Emissionen durch Umweltprojekte kompensieren und das salient ihren Kunden gegenüber kommunizieren, den Ressourcenverbrauch der Kunden erhöhen. Während sich der im Experiment beobachtete Mehrverbrauch der Kunden durch die Folgenlosigkeit ihres Handelns auf den Klimawandel und das daraus reduzierte moralische Verantwortungsbewusstsein erklären lässt (cf. Onwezen et al., 2013), hat die zusätzliche Bereitstellung von Echtzeit-Feedback diesem ungünstigen Verbrauchsanstieg entgegengewirkt. Mit einer anderen großangelegten randomisiert kontrollierten Studie erbringt das Kapitel zudem empirische Evidenz, dass kontingente Geldanreize, entgegen der Vorhersage der Motivation Crowding Theory (Deci et al., 1999), nicht die intrinsische Motivation zum Ressourcenschonen untergraben. Stattdessen führte der evaluierte Geldanreiz zu verhaltensbedingten Ressourceneinsparungen, was gemäß dem Standardmodell der klassischen Ökonomie auf eine Nutzensteigerung des Ressourcenschonens durch den Geldanreiz zurückzuführen ist (cf. Berg, 2010). Interessanterweise bewirkte Verbrauchsfeedback jedoch deutlich höhere Einsparungen, die nicht durch den Geldanreiz verstärkt wurden, was belegt, dass die Wirkung vom Verbrauchsfeedback dominant ist. Ergänzende Analysen, die darauf abzielen, die Effekte hinsichtlich ihrer Heterogenität zu untersuchen, unterstreichen die Robustheit der Haupteffekte in Anbetracht spezifischer Eigenschaften der Studienteilnehmer und zeigen, dass Vielverbraucher tendenziell stärker durch die Interventionen einsparten.
Das Kapitel greift das Thema der Heterogenität auch im Bereich des Online-Lernens auf. Dort leistet das Kapitel einen Beitrag, indem es eine theoretische Erklärung für die heterogenen Effekte von vergleichendem Feedback auf die Lernunterstützung durch digitale Lernplattformen liefert. Hierbei zeigen zwei randomisiert kontrollierte Studien, dass vergleichendes Feedback, das unter Berücksichtigung von theoretischen Implikationen der Social Norms Theory gestaltet wurde (Berkowitz, 2005; Schultz et al., 2007), akademisches Aufschiebeverhalten (sog. Prokrastinationsverhalten) auf digitalen Lernplattformen reduzieren kann. Das einführende Kapitel der kumulativen Dissertation, das Kapitel 1 und 2 voransteht, liefert zudem ergänzende Informationen, welche belegen, dass dadurch der Kurserfolg der Studierenden verbessert wurde. Kapitel 2 schließt mit zwei Beiträgen, die einen Ausblick auf weiterführende Feldexperimente geben. So zeigt ein Forschungspapier ein experimentelles Design zur Evaluation einer Feedback-Komponente auf, die durch Anwendung maschineller Lernverfahren personenspezifische Lernvorschläge bereitstellt. Damit sollen digitale Lernplattformen befähigt werden, bei der Lernunterstützung durch Feedback automatisch interpersonelle Unterschiede zu berücksichtigen (cf. Pintrich et al., 1991; Pintrich, 2004). Letztendlich berücksichtigt das Kapitel interpersonelle Unterschiede auch bei der Untersuchung von Verhaltensänderungen im Bereich der Routinehandlungen. Diesbezüglich stellt es ein Forschungsdesign am Beispiel des Händewaschens vor, mittels dessen die Auswirkungen von Verhaltensinterventionen auf relevante Antezedenzien des Händewaschens untersucht und quantifiziert werden können.
Die in der Dissertation gewonnenen Erkenntnisse tragen auf vielfältige Weise zum Stand der Forschung bei. Es wird nicht nur das Verständnis über die Wirkung von IT-basierten Feedback-Interventionen erweitert, sondern auch die Wechselwirkung von Feedback mit anderen Interventionen untersucht. Damit werden widersprüchliche theoretische Vorhersagen aus der Literatur aufgelöst und die Aussagekraft von spezifischen Theorien in Bezug auf Feedback entweder erhärtet oder infrage gestellt. Dabei lassen einige Experimente durch ihren relativ langen Beobachtungszeitraum tiefergehende Schlüsse auf die zeitliche Dynamik und die Stabilität der Verhaltensauswirkungen zu. Über verschiedene Verhaltensdomänen hinweg erweitert somit die Dissertation grundlegend das Verständnis über die Auswirkungen von Feedback, wobei dieses auch oft in direkten Vergleich zu anderen Verhaltensinterventionen gesetzt wird, die anhand von IT skalierbar umgesetzt werden können (z. B. Umweltappelle, Geldanreize, automatischer Emissionsausgleich bei Umwelthandlungen). Gerade hierdurch entstehen einige wichtige Impulse für die Theorieentwicklung. Demnach könnte zukünftige Forschung bspw. bestehende Theorien weiterentwickeln, um deren Aussagekraft zu den Interaktionseffekten von Feedback und anderen Interventionen zu steigern.
Gleichermaßen sind die gewonnenen Erkenntnisse der Dissertation auch für die Praxis relevant. Für verschiedene Handlungen belegen die Ergebnisse, dass Feedback-Interventionen große, wünschenswerte Effekte haben. Feedback kann bspw. nicht nur ungünstige Nebeneffekte von anderen Interventionen verhindern (d. h. Mehrverbrauch durch Klimakompensationsprogramme), sondern auch über längere Zeit verhaltensbedingte Umwelteinsparungen induzieren – und das in Situationen, in denen die Feedback-Empfänger dadurch keinen finanziellen Nutzen haben. Hierbei zeigt insbesondere der Vergleich verschiedener Interventionen, dass Feedback einige nennenswerte Vorteile gegenüber Umweltappellen oder Geldanreizen besitzt. Ebenfalls demonstrieren die Studien im Bereich des digitalen Lernens, dass eine leicht umsetzbare Feedback-Intervention einen deutlichen Effekt auf die Onlineaktivitäten und die Verminderung der Prokrastination von Studierenden haben kann. Somit können die Ergebnisse der Dissertation in IS und IT-Systeme einfließen, bei denen das Ziel besteht, entsprechende Verhaltensänderungen zu bewirken.
Insgesamt veranschaulicht diese Dissertation, welches Potenzial in IT-basiertem Feedback steckt, um bedeutsame Kennzahlen unserer Gesellschaft (z. B. Klimaschutz, Produktivität) zu verbessern. Dabei verdeutlicht die Dissertation insbesondere, dass die damit verbundenen Hard- und Softwarelösungen oftmals noch adaptiert oder gar implementiert werden müssen, um möglichst wirkungsvolle und gleichzeitig verhaltenstheoretisch interessante Feedback-Interventionen zu erzeugen. Denn gerade bei Alltagshandlungen, bei denen kognitive Entscheidungsprozesse primär instinktiv sind und unbewusst stattfinden (d. h. auf System 1-Prozessen basieren nach Kahneman, 2012), erwirken Feedback-Interventionen, die zunehmend durch IT skalierbar ermöglicht werden, verhältnismäßig große Effekte auf das Handeln (cf. Kluger und DeNisi, 1996).
GND Keywords: ; ; ; ;
Verhaltensmodifikation
Rückmeldung
Ressourcenmanagement
Lernverhalten
Feldversuch
Keywords: ; ; ; ; ; ;
Behavioral interventions
Feedback
Behavior change
Resource conservation
Learning behavior
Handwashing behavior
Field experiments
DDC Classification:
RVK Classification:
Type:
Doctoralthesis
Activation date:
March 5, 2024
Permalink
https://fis.uni-bamberg.de/handle/uniba/93580