Retsch, ChristopherChristopherRetschAlbrecht, Stephan2023-05-252023-05-252022978-3-86309-905-3978-3-86309-906-0https://fis.uni-bamberg.de/handle/uniba/58518Dissertation, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 2021Waffen und Rüstungen beziehungsweise Rüstungsteile konnten im (Spät-)Mittelalter von nahezu allen Männern besessen und genutzt werden, von Bauern, über Bürger und Weltgeistliche bis zum Adel. Die Inventare und Testamente lassen erkennen, dass zumindest begrifflich die gleichen Objekte bei allen genannten vorkommen konnten. Einer der größten Unterschiede dürfte gewesen sein, dass finanziell Schwächere sehr oft auf den Schutz der Beine verzichteten, weswegen bäuerliche und städtische Aufgebote vor allem an dieser überwiegenden Verwendung des Trabharnisches erkennbar gewesen sein dürften. Allerdings nutzten die wohlhabenden Bürger einen ganzen Harnisch und waren somit optisch vom Adel kaum unterscheidbar. Umso erstaunlicher muss daher die Tatsache anmuten, dass der Adel bei seiner bildlichen Repräsentation zu einem sehr großen Teil dennoch den ganzen Harnisch zum normalen Kriegsgebrauch, also den ,Feldharnisch‘, nutzte. Die von Kunsthistorikern oft vermutete Verwendung von ,Turnierrüstungen‘ auf Grabmalen ist nicht zutreffend. Gerade auf den Grabmalen hielt sich bis ins 17. Jahrhundert der ,Feldharnisch‘ als Medium der Bildrepräsentation. Jedoch ist die adlige Repräsentation mittels Rüstungen klar zweigeteilt. So deutlich, wie der ,Feldharnisch‘ die Darstellung Verstorbener und Stifter sowie auf Portraits überwog, so deutlich war die heraldische Repräsentation spätestens seit dem 15. Jahrhundert vom ,Turnierwesen‘ beziehungsweise ,Lanzenspiel‘ geprägt. Dort fanden für das Oberwappen als Helme nahezu ausschließlich ,Turnierhelme‘ Verwendung: der ,Stechhelm‘ und der ,Kolbenturnierhelm‘. Da so gut wie alle Männer über Harnische oder zumindest Rüstungsteile verfügten, waren die in zeitgenössischen Kunstwerken dargestellten Rüstungen und Waffen einem sehr großen, wenn nicht dem überwiegenden Teil der Rezipienten aus deren Alltagserfahrungen bekannt. Daher ist anzunehmen, dass das Erkennen der Waffen und Rüstungen als zeitgenössisch gängige oder künstlerisch verfremdete Objekte zumeist unmittelbar möglich war. Damit war auch die Möglichkeit gegeben, verschiedene vorhandene zeitgenössische Nutzungspraktiken in künstlerische Darstellungen zu übernehmen und somit unterschiedliche deskriptive Bedeutungen zu vermitteln. So konnten beispielsweise wenige und gleichzeitig einige Jahrzehnte alte Rüstungsteile eine Figur als aus weniger wohlhabenden Gesellschaftsteilen stammend kennzeichnen, während umgekehrt ein ganzer Harnisch den Wohlstand seines Trägers verbildlichen konnte. War dieser Harnisch zusätzlich mit goldfarbigen Bestandteilen versehen, konnte er als Zeichen des Ritters verstanden werden, der tatsächlich auch eine Rittererhebung erhalten hatte. Abgesehen vom Gold als Zeichen des Ritters, ließen sich die in der (spät-)mittelalterlichen Literatur zahlreichen vorhandenen konkreten symbolischen Bedeutungen einzelner (zeitgenössischer) Rüstungsteile nicht visuell in Abbildungen übertragen. Hierbei dürfte schon allein die Uneinheitlichkeit der Bedeutungen zwischen den einzelnen literarischen Werken eine allgemeine Übertragung solcher Bedeutungen in Kunstwerke außerhalb der Literatur verhindert haben. Wurden in Kunstwerken keine zeitgenössischen Rüstungen, sondern deutlich veraltete (real nicht mehr genutzte), antikisierende oder phantastische Rüstungen dargestellt, konnten weitere deskriptive Bedeutungen vermittelt werden. Wie obige Ausführungen über diese drei Arten der Rüstungsdarstellung zeigen, handelte es sich dabei vor allem um eine Verortung der dargestellten Figuren und Handlungen in der Vergangenheit sowie um eine Verortung außerhalb der lateinisch-christlichen Kultur. Die Grenzen zwischen beiden Bedeutungen und zwischen den drei Darstellungsmöglichkeiten waren jedoch fließend, so dass einzelnen Objekten beziehungsweise Rüstungsteilen keine allgemein gültigen Bedeutungen zugeschrieben werden konnten, sondern erst der Kontext der Darstellung das breite Angebot inhaltlicher Bedeutungen einzelner Rüstungsteile auf eine oder zumindest wenige im Einzelfall beabsichtigte Bedeutungen verengte. Diese drei letztgenannten Darstellungsmöglichkeiten sind allerdings aus heutiger entwicklungsgeschichtlich informierter Sichtweise zu verstehen. Spätmittelalterlich-zeitgenössisch gedacht, wären es wahrscheinlich nur zwei Kategorien gewesen, nämlich (von der beabsichtigten Bedeutung ausgehend gedacht) entweder eine Rüstungsdarstellung mit Bezug auf die Vergangenheit (unabhängig, ob einige Jahrzehnte alt oder antikisierend) oder mit Bezug auf einen außerhalb der eigenen Gesellschaft stehenden Kulturkreis. Letzteres wäre zeitgenössisch wohl hauptsächlich als heidnisch beschrieben worden. Auch die wichtige Zuschreibung positiver oder negativer Eigenschaften war nur kontextgebunden möglich, nicht über bestimmte, konkrete Rüstungsteile.Arms and armour could be owned and used by almost all men in the (late) Middle Ages, from peasants, burghers and secular clergy to the nobility. The inventories and wills show that the same objects, at least terminologically, could be found by all of them. One of the greatest differences may have been that the financially weaker people very often waived the protection of the legs, which is why the peasant and urban troops could be recognised by the predominant use of the Trabharnisch how it was called in 15th century German sources. However, the wealthy burghers used the ganzen Harnisch (a whole suit of armour) and were thus hardly distinguishable from the nobility. All the more it is astonishing, that the nobility used the same ganzen Harnisch made for war, i.e. the ‘field armour’, in their pictorial representation. The assumed use of ‘tournament armour’ on tomb monuments (effigies and brasses), as often claimed by art historians, is not correct. Especially on the tomb monuments the ‘field armour’ remained in use till the 17th century as a medium of pictorial representation. However, the representation of the nobility by means of armour was clearly divided. As plainly as the ‘field armour’ dominated the representation of deceased persons and donors as well as on portraits, the heraldic representation had been dominated since the 15th century by the ‘tournament’ or ‘jousting’ armour. There, the helmets were almost exclusively ‘tournament helmets’: The ‘Stechhelm’ (‘helm for the joust of peace’) and the ‘Kolbenturnierhelm’ (‘tournament helm’). Since practically all men possessed armour or at least pieces of armour, the armour and weapons depicted in contemporary works of art were familiar to a very large number, if not the majority of the recipients from their everyday experiences. It can therefore be assumed that the recognition of the arms and armour as contemporary objects or artistically alienated objects was immediately possible in most cases. So the artists were able to convey different descriptive meanings by translating various existing contemporary practices of armour-use in their artistic representations. For example, a few and at the same time some decades old armour parts, could sign a figure as being less affluent, while, on the other hand, a ganzer Harnisch could represent the wealth of its wearer. If this armour had additionally gold-coloured components, it could be understood as a sign of the knight (who had actually received a knightly accolade). Apart from gold as the sign of the knight, the numerous specific symbolic meanings of individual (contemporary) pieces of armour in the (late) medieval literature could not be transferred visually into illustrations. Here the inconsistency of the meanings between the individual literary works prevented a general transfer of such meanings into works of art outside literature. When no contemporary armour was used in works of art, but clearly outdated ones (no longer used in reality), ancient armour or fantastic armour, further descriptive meanings could be conveyed. These were primarily locating the depicted figures and actions in the past, as well as setting them outside of the Christian occidental culture, as the explanations of these three types of armour depiction in chapter VI pointed out. The boundaries between the two meanings and between the three types of armour depiction were fluid. An individual object or piece of armour could not be attributed to any generally valid meaning. Only in the context of a certain artwork the broad range of meanings of individual armour parts could be narrowed to one, or at least a few intended meanings. These three possibilities of representation (outdated, ancient or fantastic armour) are to be understood from today’s historically informed viewpoint. From a late medieval-contemporary point of view, there would have been probably only two categories, namely either a depiction of armour with reference to the past (whether a few decades old or in an ancient style) or with reference to a cultural sphere outside one’s own society, probably seen as pagan by the contemporary recipients. These two intended meanings were based on the contemporary conception of history, which did not differentiate between an ancient and a medieval era. Also the important attribution of positive or negative characteristics was only possible in a context-bound manner, not via specific pieces of armour.deuRüstung (Schutzkleidung); Harnisch; Kettenhemd; Ringpanzerhemd; Panzer (Schutzkleidung); Schurz; Brigantine (Schutzkleidung); Helm; Beinschiene; Schutzhandschuh; Schutzausrüstung; Prunkrüstung; Waffe; Hundsgugel; Englische Haube; Schaller; Eisenhut; Cuir bouilli; Trabharnisch Chalkis (Stadt); Negroponte (Chalkis); Rhodos (Stadt); Johanniter Adel, Ritter; Ritterspiegel; Rothe, Johannes (1360–1434), Lullus, Raimundus; Llull, Ramon (1232-1316) Turnierbuch; Reisiger; Scherge Heraldik; Wappen; Adeliges Wappen; Bürgerliches Wappen Klaidungsbuechlin Mode; Kleidung; Wams; Rock; Gugel; Hose; Gewand; Kittel; Kostüm; Theaterkostüm; Fastnachtskostüm; Turban Plastik; Steinplastik; Steinrelief; Skulptur; Grabmal; Grabplastik; Grabskulptur; Epitaph; Wandgrabmal; Grabplatte; Kenotaph; Tumba; Stiftergrab; Bildnisrelief; Gisant; Memoria Ludwig I., Hessen, Landgraf (1402-1458); Maximilian I., Heiliges Römisches Reich, Kaiser (1459-1519) Künstler; Bildhauer; Holzbildhauer; Steinbildhauer; Steinmetz; Bronzeguss; Gießer; Abguss; Bronzekunst; Metallkunst; Plattner; Waffenschmied Helmschmied, Lorenz (1450-1515); Lorenz Helmschmid; Helmschmied, Kolman (1470-1432) Malerei; Buchmaler; Grafik; Zeichnung Retabel; Flügelaltar; Kölner Malerschule; Altniederländische Malerei Schongauer, Martin (1440-1491); Dürer, Albrecht (1471-1528); Matteo, di Giovanni (1433-1495); Meister des Jünteler Epitaphs; Vischer, Peter (1455-1529); Memling, Hans (1430-1494) Sachkultur; Alltagskultur; Alltag; Realien; Realienkunde; Waffenkunde; Spätmittelalter Bedeutung; Symbol; Symbolik; Zeichen Gesellschaft; Bürger (Motiv); Bürger; Bauer (Motiv); Bauer; Geistlicher (Motiv); Geistlicher; Weltgeistlicher (Motiv); Weltgeistlicher; Klerus (Motiv); Klerus Arms and Armour; Armor; Knights and knighthood; Middle Ages; medieval; peasants; burghers; secular clergy; society; tomb monuments; effigy; brasses; armour-use; object; sign; icon; heraldic representation730Sprechendes Metall? Die Rüstung als Objekt und Bedeutungsträger in Gesellschaft und Kunst des SpätmittelaltersMeaningful Metal? Armour as Objects and Icons in late medieval Society and Artdoctoralthesisurn:nbn:de:bvb:473-irb-585181