Wolstein, JörgJörgWolstein0000-0001-9338-8494Stürmer, MarcoMarcoStürmerWurdak, MaraMaraWurdak2019-09-192016-09-1520121439-989Xhttps://fis.uni-bamberg.de/handle/uniba/40935Prävention bei intentional exzessiv trinkenden Jugendlichen J. Körkel: „Wir tun – was?“ Eine kritische Analyse des – Programms „Hart am Limit“ (HaLT). Suchttherapie 2012; 13: 25–32 Während Uhl und Kobrna [1] in ihrem sehr treffenden Artikel zum Thema des jugendlichen Rauschtrinkens darauf hinweisen, dass über Ursachen, Verlauf und Interventionen bei exzessivem Alkoholkonsum im Kindes- und Jugendalter immer noch wenig bekannt sei, suggeriert Körkel [2], dass es hier einfache Lösungen gebe und kritisiert das alkoholspezifische Präventionsprojekt „HaLT – Hart am Limit“. Viele der vorgestellten Themen sind nicht neu, sondern werden schon seit längerem offen diskutiert und haben zu einer Weiterentwicklung des Projektes beigetragen. Zur Überprüfung der Wirksamkeit der Intervention am Krankenbett werden zurzeit 2 große randomisierte kontrollierte klinische Studien mit insgesamt mehr als 700 Probanden durchgeführt [3] [4]. Dass historisch gesehen zunächst eine formative, prozessbezogene Evaluation von HaLT erfolgte, die Projektanpassungen nach sich zog, und dann eine summative Evaluation der Wirksamkeit, ist in der Prävention üblich und in Bereichen wie dem Rauschtrinken von Kindern und Jugendlichen aufgrund der hohen Komplexität und insgesamt schlechten Datenlage auch gar nicht anders zu lösen. Ein wesentlicher Aspekt von Prävention ist die Diagnostik auf der Ebene der Zielgruppe insgesamt und im jeweiligen Einzelfall. Hier liefert das HaLT-Projekt einerseits Daten zur Gesamtgruppe, zum Beispiel zu Konsummustern, Geschlechtsverteilung, psychosozialen Variablen, Motiven und Verlauf. Auch Körkel bezieht sich auf diese Daten, ohne die Herkunft aus dem HaLT-Projekt zu erwähnen. Andererseits wird eine individuelle Diagnostik am Krankenbett interdisziplinär durch eine Zusammenarbeit von medizinischem Personal und HaLT-Mitarbeitern ermöglicht. Neben Fragen der Suchtentwicklung spielen hier vor allem psychosoziale Belastungen einschließlich der Kindeswohlgefährdung und die Komorbidität psychischer Störungen eine Rolle. Ein Instrument zur standardisierten Erfassung dieser 3 Risikodimensionen gibt es nicht. Ein klinisches Gespräch, das auch die Diagnostik umfasst, ist somit unverzichtbar und dauert länger als 5 min. Die Forschergruppe um Zimmermann (Dresden) hat sich der Thematik Risikoerfassung angenommen [5]. Zur Standardisierung der Intervention am Krankenbett setzen wir zurzeit versuchsweise in großen HaLT-Zentren ein iPad ein, auf dem sowohl Fragebögen zum Konsum und zur Motivlage, ein personalisiertes Feedback als auch Trinkmotiv-basierte Materialien zur gemeinsamen Bearbeitung mit den HaLT – Mitarbeitern implementiert sind. Außerdem werden zum Beispiel in Bayern die Erstgespräche einheitlich dokumentiert (inzwischen etwa 4 000) und zentral ausgewertet, die Ergebnisse an die HaLT-Zentren zurückgemeldet sowie regelmäßige Projektmonitorings durchgeführt. Monosubstanzorientierung: Selbstverständlich gehört die Erfassung des Konsums illegaler Drogen mit zum diagnostischen Vorgehen im HaLT-Projekt, die betroffenen Patienten werden an weiterführende Hilfen vermittelt. In Bayern haben aber mehr als 95% der 13–17-jährigen Patienten mit einer schweren Alkoholintoxikation keinen relevanten Drogenkonsum gezeigt. Daher ist eine grundsätzliche Ausweitung der Intervention am Krankenbett auf illegale Drogen und sogar auf pathologischen PC-Gebrauch – wie Körkel es fordert – nicht sinnvoll und auch international unüblich. Bei Gruppeninterventionen halten wir die gemeinsame Teilnahme von alkoholauffälligen Jugendlichen mit und solchen ohne Drogengebrauch wegen der Nachahmeffekte für kontraindiziert. Ein weiteres Thema ist die Erreichbarkeit der Zielgruppe. Die Intervention am Krankenbett oder in der Notaufnahme soll die Kinder und Jugendlichen sowie ihre Eltern möglichst unmittelbar nach der Intoxikation erreichen („teachable moment“). Andere Zugangswege (Schule, Polizei, Jugendvereine) sind im HaLT-Projekt vorgesehen, führen aber – mit einigen regionalen Ausnahmen – nur zu einer begrenzten Anzahl von Kontakten mit Jugendlichen. Ein wichtiger Baustein im HaLT-Projekt ist die Elternintervention; alleine in Bayern wurden bisher fast 3 000 Eltern stationär behandelter Kinder und Jugendlicher noch in der Klinik beraten. Einerseits erfahren die Eltern dadurch Entlastung in der Krisensituation, andererseits werden sie in Bezug auf ihr Erziehungsverhalten beraten, was wiederum einen Einfluss auf das Konsumverhalten der Kinder hat. Die Wirksamkeit einer Elternintervention in dieser Altersgruppe wird von Körkel angezweifelt, ist aber vielfach belegt, auch in der Literatur, die Körkel zitiert [6]. Zurzeit führen wir in Bayern eine eigene kontrollierte Studie zur Wirksamkeit der Elternintervention im Rahmen des HaLT-Projektes durch, die voraussichtlich 2013 abgeschlossen sein wird. Neu an Körkels Kritik ist, dass das Projekt nicht „am ‚Goldstandard‘ zur Stärkung der Selbstkontrolle des Alkoholkonsums“, also einer Therapiemethode des kontrollierten Trinkens ausgerichtet sei. Mit seiner Einschätzung als „Standard“ bezieht er sich auf die Übersicht von Walters [7]. Die dort aufgeführten Studien sind im Schnitt fast 30 Jahre alt, haben meist Stichprobengrößen im 1- oder niedrig 2-stelligen Bereich und wurden ausschließlich an erwachsenen Problemtrinkern oder Alkoholabhängigen durchgeführt. Weiterhin zitiert Körkel eine eigene Untersuchung, deren Publikation im Eigenverlag er uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat [8]. Es handelt sich um eine Studie bei mehrfach drogenabhängigen, überwiegend substituierten 31–62-jährigen Erwachsenen. Ausschlusskriterium für die Teilnahme war ein Alter unter 18-Jahren. Ausgerechnet der Alkoholkonsum wurde durch die Intervention nicht beeinflusst. Die Wirksamkeit stieg mit der Zahl der Abhängigkeitsdiagnosen. Daraus einen Standard für die Intervention bei intentional exzessiv trinkenden Kindern und Jugendlichen herzuleiten ist abwegig.deuRauschtrinkenAlkoholJugendPräventionMotivierende GesprächsführungPrävention bei intentional exzessiv trinkenden Jugendlichenarticle10.1055/s-002-23589