Breiwe, RenéRenéBreiweBonnes, MaikenMaikenBonnes2024-05-222024-05-222024https://fis.uni-bamberg.de/handle/uniba/94463Gegenwärtig können zwei kulturtheoretische Analyseperspektiven hervorgehoben werden, die für Bildungsprozesse bedeutsam sind: Auf der einen Seite eine (poststrukturalistische) Kultur der Diversität, in der im Kontext von Diversifizierungsprozessen traditionell binär ausgerichtete Differenzordnungen kritisch dekonstruiert werden und stattdessen ein intersektionales bzw. hybrides Verständnis von Differenz hervorgehoben wird (vgl. z.B. Breiwe 2023). Auf derartige Diversifizierungsprozesse ist in den letzten Jahrzehnten die Kultur der Digitalität gestoßen, in der eine Vervielfältigung der kulturellen Praktiken erfolgt (Stalder 2019). Auch in Diskursen um zeitgemäße Hochschullehre wird diskutiert, von welch transformativer Bedeutung die Diversität der Studierenden und die Digitalität ist (vgl. z. B. Handke 2020; Henke 2020; Waffner & Otto 2022). Einerseits wird auf die zunehmende Anzahl ‚nicht-traditioneller Studierender‘ verwiesen (vgl. z.B. Lotze & Wehking 2021), andererseits werden Fragen zur räumlichen und zeitlichen Gestaltung von Lehre und den Rollen der beteiligten Akteur*innen diskutiert (vgl. z. B. Handke 2020). Vor diesem Hintergrund erfolgt auf dem Poster die Präsentation eines diversitätsensiblen Seminarkonzepts der universitären Lehrer:innenbildung zum Thema „Kultur der Digitalität als gesellschaftliches Strukturmerkmal: Konsequenzen für die Gestaltung von Schule und Unterricht“. Das Seminarkonzept folgt einem postdigitalen Medienverständnis (Macgilchrist 2019). Demnach wird nicht gefragt, wie digitale Medien in Lehrprozessen einzusetzen sind, sondern wie Lehre didaktisch sinnvoll – hier diversitätssensibel – in der Kultur der Digitalität (Stalder 2019) gestaltet werden kann. Hiermit sind räumlich-zeitliche Entgrenzungen verbunden, in denen individualisiert-vernetzt bzw. virtuell-hybrid gelernt wird (Sliwka & Klopsch 2020). Im Rahmen digitalisierungsbezogener Bildungsprozesse wird zudem die gestalterische Tätigkeit der Lernenden hervorgehoben (Henke 2020, Macgilchrist 2017), v.a. die Learning Innovation Skills (als Teil der 21st Century Skills) Critical Thinking, Communication, Collaboration und Creativity (P21 2016, Seidl 2017). Die Umsetzung dieser Überlegungen erfolgt im Seminar als pädagogischer Doppeldecker (Wahl, 2020) kollaborativ durch Bildung von „Lerncommunities“ (Pauschenwein & Lyon 2018, S. 150), kommunikativ-kreativ durch Erstellung multimedialer Blogs (Totter 2018), kritisch durch Peer-Feedback in Form von gegenseitigen Rezensionen (Boud & Molloy 2013; Hattie & Clarke 2018; Bonnes & Breiwe 2015) sowie räumlich-zeitlich entgrenzt (asynchron). Das Peer-Feedback ist hierbei ein integraler Bestandteil des Seminarkonzepts. Als Ausdruck moderner Hochschullehre unterstützt die Selbstreflexion und Selbsteinschätzung der Studierenden, fördert die Interaktion und Zusammenarbeit zwischen ihnen und lehrt wertschätzenden und konstruktiven Umgang. Zudem vertiefen sie ihre Fachkenntnisse beim Bewerten der Leistungen anderer. Lehrende erhalten Einblicke in den Lernprozess der Studierenden und nutzen das Peer-Feedback für die Lehrgestaltung und Bewertung. Die Vielfalt der Studierendenperspektiven bereichert die Lehre und fördert gleichzeitig ihre Weiterentwicklung (vgl. Auferkorte-Michaelis et al. 2023). Dieses Konzept soll insgesamt zu einer verbesserten Teilhabe aller Studierenden beitragen. Gleichwohl können die konzeptionellen Orientierungen, z.B. an den 4 C’s, auch als Ausdruck der Spätmoderne (Reckwitz 2021) verstanden werden, die in neoliberalem Sinne – Gäckle (2020) spricht hinsichtlich der Creativity beispielsweise von „ökonomische[m] […] Unternehmergeist“ – an singulärer Selbstverwirklichung interessiert ist und im Widerspruch gegenüber (solidarischer) Inklusion steht (Mecheril 2014). Letztlich ist zu fragen, inwiefern eine derartige konzeptionelle Orientierung auf Diversitätsreflexivität, Postdigitalität und Peer-Feedback unter Berücksichtigung der skizzierten Spannungsfelder tatsächlich als modern, den Anforderungen des 21. Jahrhunderts unter besondere Berücksichtigung der Future Skills entsprechend anzusehen ist (vgl. Entner et al. 2021; Handke 2020). Literatur Auferkorte-Michaelis, N., Linde, F., Bonnes, M., Haschke, H. & Hintze, A.(2023). Feedback für den Lehralltag - Lehren und Lernen im Dialog. utb. Boud, David & Molloy, E. (2013). 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Klinkhardt.deuDiversitätInklusion(Post-)DigitalitätPeer-FeedbackLehrer*innenbildung370Diversitätsreflexivität, Postdigitalität & Peer-Feedback als Kennzeichen moderner Lehr- und Lernkulturen!? : ein exemplarischer Einblick in die universitäre Lehrer*innenbildungconferenceobjecturn:nbn:de:bvb:473-irb-944637