Metzger, SilviaSilviaMetzger2024-05-132024-05-132024https://fis.uni-bamberg.de/handle/uniba/94608Kumulative Dissertation, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 2024Ein Schmerzreiz kann die Wahrnehmung eines anderen Schmerzreizes unterdrücken, wenn dieser außerhalb seines rezeptiven Feldes appliziert wird. Es besteht die Annahme, dass dieses „Schmerz hemmt Schmerz“ Phänomen auf dem sogenannten „Diffuse Noxious Inhibitory Controls“ (DNICs) Mechanismus beruht (Le Bars, 2002; Yarnitsky, 2010). Der Mechanismus wurde Ende der 70er Jahre durch Tierstudien entdeckt (Le Bars et al., 1979a, 1979b) und wird über eine weitestgehend unabhängige Spino-bulbo-spinale Schleife zwischen dem Rückenmark und dem Nucleus reticularis dorsalis (einem Kern im Hirnstamm) vermittelt. Bei einem intensiven Schmerzreiz in einem Körperabschnitt kommt es durch absteigende Fasern aus diesem Kern zu einer reflexartigen Hemmung der sogenannten „wide dynamic range“ (WDR)-Neurone im Rückenmark. Dadurch kommt es zu einer verminderten Weiterleitung nozizeptiver Information aus allen anderen Körperabschnitten (Le Bars et al., 1979a, 1979b; Le Bars et al., 1991). Die Conditioned Pain Modulation (CPM) bietet eine nicht-invasive Möglichkeit den DNICs Mechanismus beim Menschen abzubilden. Bei CPM handelt es sich um eine experimentelle Methode, bei dem der Einfluss eines konditionierenden, meist tonischen und deutlich schmerzhaften Stimulus (CS) auf meist phasische, weniger schmerzhafte Teststimuli (TS) untersucht wird (Sprenger et al., 2010; Yarnitsky, 2010). Seit der Entwicklung des CPM Paradigmas wurden zahlreiche Studien durchgeführt. Fazit ist, dass es erhebliche interindividuelle Unterschiede in der Größe und Richtung des CPM-Effekts gibt und zahlreiche Modulatoren (Hermans et al., 2016; Nahman-Averbuch, Nir, et al., 2016; Nir et al., 2012). In diesem Zusammenhang rücken auch die Einflüsse des emotionalen Kontexts und emotionalen Zustands in den Fokus. Negative Affekte (z. B. Depressionen, schmerzspezifische Ängste) scheinen mit CPM assoziiert zu sein (Goodin et al., 2009; Granot et al., 2008; Nahman-Averbuch, Nir, et al., 2016). Ein Zusammenhang zwischen CPM und einem negativen (bedrohlichen) Kontext konnte bisher nicht nachgewiesen werden (Bernaba et al., 2014; Horn-Hofmann et al., 2023). Da die Reduktion der Schmerzempfindlichkeit zuverlässig in CPM Paradigmen mit noxischen Reizen beobachtet werden konnte, wurde angenommen, dass CPM auf der Aktivierung von DNICs beruht und man somit eine Möglichkeit gefunden hat, die endogene Schmerzhemmung beim Menschen direkt zu messen (Price & McHaffie, 1988; Willer et al., 1990; Willer et al., 1984). Es häuften sich allerdings die Befunde, die die Annahme, dass CPM einen schmerzspezifischen Mechanismus abbildet, infrage stellten. Studien zeigten, dass einerseits eine sehr starke, aber subjektiv noch nicht schmerzhafte Stimulation schmerzhemmende Wirkung auslösen kann und andererseits, dass subjektiv nicht schmerzhafte Stimuli während CPM gehemmt werden können (Kunz et al., 2006; Lautenbacher & Rollman, 1997; Lautenbacher et al., 2002). Folglich stellt sich die Frage, ob Nozizeption überhaupt notwendig ist, um in einem CPM Paradigma Hemmung zu zeigen. Möglicherweise kann Schmerz nicht nur die Wahrnehmung schmerzhafter Reize hemmen, sondern die Wahrnehmung aversiver Reize bzw. die aversive Reaktion auf diese generell. Dies würde die zuvor etablierte schmerzspezifische Hemmung von CPM nicht ausschließen, aber ein umfassenderes Konzept der Hemmung ermöglichen. Systematische Untersuchungen gibt es dazu bisher nicht, weshalb ich mit der vorliegenden Dissertation diese Forschungslücke schließen möchte. Die zentrale Fragestellung lautet deshalb: Ist der CPM-Effekt tatsächlich schmerzspezifisch oder kann Schmerz auch die Verarbeitung andere aversiver, aber nicht-noxischer Reize hemmen? Zudem ist der Einfluss des emotionalen Kontextes und Zustands auf die Hemmung der Verarbeitung aversiver, aber nicht-noxischer Reize von Interesse. Der Hintergrund hierfür ist, dass es zum einen Hinweise darauf gibt, dass negative Affekte (z. B. Depressionen, Angst) einen Einfluss auf den CPM-Effekt haben (Goodin et al., 2009; Granot et al., 2008; Honigman et al., 2013; Nahman-Averbuch, Nir, et al., 2016; Nahman-Averbuch, Yarnitsky, et al., 2016; Traxler et al., 2018; Weissman-Fogel et al., 2008). Zum anderen ist die Betrachtung des emotionalen Zustands/Kontextes deshalb interessant, da in dieser Dissertationsschrift der Fokus weg von der Schmerzspezifität hin zur Hemmung von Reizen mit negativer emotionaler Wertigkeit (d.h. Aversivität) gelegt wird. Daher wurde die zentrale Fragestellung der Dissertation durch Folgende ergänzt: Welchen Einfluss hat der emotionale Kontext (Bedrohlichkeit) bzw. der emotionale Zustand (Angst und Furcht) auf die Hemmung der Verarbeitung aversiver, nicht-noxischer Reize? Um diese Fragen zu beantworten wurden drei experimentelle Studien durchgeführt, die ich nach der theoretischen Einführung in das Thema kurz darstellen werde. Im Anschluss daran, werde ich in einer übergreifenden Diskussion auf die zugrundeliegenden möglichen neuronalen Mechanismen der Hemmung der Verarbeitung aversiver, nicht-noxischer Reize eingehen sowie die Bedeutung eines solchen Mechanismus diskutieren. Außerdem möchte ich auf die Stärken und Schwächen der Arbeit eingehen. Die Dissertationsschrift schließt mit einer kurzen Zusammenfassung.otherCounterirritationBedrohlichkeitStartle Blink Reflex150Der Einfluss von Bedrohlichkeit, Angst und Furcht auf die Hemmung der Verarbeitung aversiver Reizedoctoralthesisurn:nbn:de:bvb:473-irb-946088