Meier, MarcoMarcoMeier0000-0003-1551-02412025-07-142025-07-142025https://fis.uni-bamberg.de/handle/uniba/108775Kumulative Dissertation, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 2025Disruptionen, also außergewöhnliche, beobachtbare und in sich abgeschlossene Ereignisse, veranlassen Individuen dazu, ihr Verhalten anzupassen (Morgeson et al., 2015). Dies gilt auch für das Verhalten der Nutzenden von Informationssystemen (IS). Beispielsweise beeinträchtigte die COVID-19-Pandemie wirtschaftliche, soziale und technologische Systeme weltweit (Susskind et al., 2020) und führte unter anderem zu einer verstärkten Nutzung von Streaming-Diensten wie Netflix (Goetzen, 2020). Das Datenleck der Passwort-Management-Software LastPass wiederum veranlasste Nutzende, nach Alternativen für das betroffene IS zu suchen (Kost, 2022). Disruptionen können das Nutzungsverhalten aus Sicht der Anbietenden von IS somit sowohl positiv, durch die Gewinnung neuer Nutzender, als auch negativ, durch die Abwanderung bestehender Nutzender, beeinflussen. Um diesen Chancen und Herausforderungen effektiv zu begegnen, benötigen IS-Anbietende ein umfassendes Verständnis der Treiber solchen Nutzungsverhaltens – einschließlich der entscheidenden Rolle, die Disruptionen dabei spielen. Bisherige IS-Forschung erklärt Nutzungsverhalten vor allem durch die Wahrnehmungen (Blut et al., 2022), Emotionen (Beaudry & Pinsonneault, 2010), Motivationen (Rahrovani & Pinsonneault, 2020) und Persönlichkeitsmerkmale der Nutzenden (Barnett et al., 2015). So verwenden Nutzende beispielsweise ein IS, wenn sie es als nützlich und einfach zu bedienen wahrnehmen (Blut et al., 2022) oder beenden ihre Nutzung, wenn sie mit einem IS unzufrieden sind (Soliman & Rinta-Kahila, 2020). Während solche Erkenntnisse das alltägliche Nutzungsverhalten umfassend erklären, berücksichtigen sie überwiegend nicht, dass Disruptionen, wie die COVID-19-Pandemie, ebenfalls und unvorhergesehen Nutzungsverhalten beeinflussen können. Erste IS-Forschung zu Disruptionen konzentriert sich hierbei vorwiegend auf die negativen Auswirkungen für IS-Anbietende und zeigt beispielsweise, dass Nutzende ihre Nutzung von IS aufgrund von Disruptionen ändern oder einstellen (Maier et al., 2024; Ortiz de Guinea, 2016). Diese Betrachtungsweise lässt dabei unberücksichtigt, wie Disruptionen die Nutzung von IS verstärken können und mit den Wahrnehmungen, Emotionen, Motivationen und Persönlichkeitsmerkmalen von Nutzenden zusammenspielen. Basierend auf der Feldtheorie (Lewin, 1946), die Verhalten als das Ergebnis von internen und externen Kräften beschreibt, untersucht diese Dissertation, wie interne Kräfte in Form von Wahrnehmungen, Emotionen, Motivationen und Persönlichkeitsmerkmalen und externe Kräfte in Form von Disruptionen das Nutzungsverhalten erklären können. Die zentrale Forschungsfrage dieser Dissertation ist: Wie erklären interne Kräfte, insbesondere Wahrnehmungen, Emotionen, Motivationen und Persönlichkeitsmerkmale, sowie externe Kräfte, insbesondere Disruptionen, Nutzungsverhalten? Das erste Kapitel der Dissertation konzentriert sich auf den Einfluss interner Kräfte, und das zweite Kapitel auf den Einfluss externer Kräfte auf Nutzungsverhalten. Das dritte Kapitel integriert interne und externe Kräfte und zeigt auf, wie deren Zusammenspiel Nutzungsverhalten beeinflusst. Das vierte Kapitel befasst sich mit der Entwicklung des notwendigen methodischen Baukastens, der es ermöglicht, das Zusammenspiel interner und externer Kräfte und deren Einfluss auf Nutzungsverhalten empirisch zu untersuchen. Die Ergebnisse des ersten Kapitels zeigen, dass interne Kräfte, wie Wahrnehmungen, Emotionen, Motivationen und Persönlichkeitsmerkmale, das Nutzungsverhalten auf komplexe Weise beeinflussen. Anhand beispielhafter Kontexte wie Streaming-Diensten wird verdeutlicht, dass Kombinationen interner Kräfte unterschiedliche Nutzungsverhalten, wie beispielsweise Wechselintentionen zu einem alternativen IS, erklären. Insbesondere zeigt sich, dass Nutzende unterschiedliche Gründe in Form von unterschiedlichen Kombinationen interner Kräfte für das gleiche Nutzungsverhalten haben können. Die Ergebnisse des zweiten Kapitels zeigen, dass externe Kräfte in Form von Disruptionen das Nutzungsverhalten beeinflussen. Disruptionen unterscheiden sich in Art (z. B. umwelt- oder technologiebezogen), Antizipation (erwartet oder unerwartet), Valenz (positiv oder negativ) und Dringlichkeit (hoch oder niedrig). Am Beispiel von IT-Bedrohungen wird aufgezeigt, dass unerwartete und negativ bewertete Disruptionen Nutzungsverhalten wie die Vermeidung der Nutzung von IS hervorrufen können. Die Ergebnisse des dritten Kapitels zeigen, dass Disruptionen als situativer Kontext wirken können, der die Beziehung zwischen internen Kräften und Nutzungsverhalten beeinflusst. Disruptionen wie die COVID-19-Pandemie verändern die Art und Weise, wie interne Kräfte wie Wahrnehmungen das Nutzungsverhalten beeinflussen. Beispielsweise führte die COVID-19-Pandemie dazu, dass Personen die Nutzung von Chatbots in Erwägung zogen, da sie als Alternativen zur erschwerten menschlichen Interaktion wahrgenommen wurden. Die Ergebnisse des vierten Kapitels zeigen, dass konfigurationale Methoden, wie die fuzzy set Qualitative Comparative Analysis (fsQCA), effektive methodische Werkzeuge sind, um komplexe Beziehungen zwischen internen und externen Kräften und Nutzungsverhalten zu analysieren. Die Dissertation liefert praktische Leitlinien für die Anwendung dieser Methode zur Identifizierung konfigurationaler Moderatoren und Rahmenbedingungen für theoretische Mechanismen. Zudem zeigt die Dissertation auf, dass fsQCA deduktiv eingesetzt werden kann, um bestehende Theorien zu testen und weiterzuentwickeln. Durch die Ergebnisse dieser Dissertation können theoretische, methodische und praktische Erkenntnisse abgeleitet werden. Theoretisch erweitert die Arbeit das Verständnis von Nutzungsverhalten, indem sie interne und externe Kräfte integriert und basierend auf deren Zusammenspiel eine umfassende Erklärung für Nutzungsverhalten entwickelt. Methodisch trägt die Arbeit zur Weiterentwicklung konfigurationaler Ansätze in der IS-Forschung bei. Praktisch liefert die Dissertation IS-Anbietenden konkrete Handlungsempfehlungen, wie sie Nutzungsverhalten managen und auf Disruptionen reagieren können. Zusammenfassend zeigt die Dissertation, dass Nutzungsverhalten durch das komplexe, kontextabhängige Zusammenspiel von internen und externen Kräften geprägt wird und liefert Ansatzpunkte für die Gestaltung von IS und Steuerung von Nutzungsverhalten in einer zunehmend disruptiven Welt.engInformation SystemsUser BehaviorTechnology UseDisruptionFuzzy Set Qualitative Comparative Analysis (fsQCA)330IS User Behavior in the Age of Disruptionsdoctoralthesisurn:nbn:de:bvb:473-irb-108775x