Wodarz-von Essen, HeikeHeikeWodarz-von Essen2023-04-122023-04-122023https://fis.uni-bamberg.de/handle/uniba/54208Dissertation, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 2022Die Sterblichkeit Opioidabhängiger ist im Vergleich zu alters-/geschlechtsgleichen Nicht- Opioidabhängigen um das 10fache erhöht, überwiegend infolge von Überdosierungen. Die meisten Opioidüberdosierungen geschehen im privaten Umfeld und es sind meist Mitkonsumenten anwesend die als ErsthelferInnen agieren könnten, wären sie mit entsprechendem Wissen und dem Notfallmedikament Naloxon ausgestattet. Naloxon kann als spezifisch wirksames Gegenmittel (Antidot) Symptome von Überdosierungen und damit Drogentod erfolgreich bekämpfen, wenn es korrekt eingesetzt wird. Naloxon in nasaler Verabreichung ist eine ideale Applikationsform, die für Laien einfach und dennoch sicher einsetzbar ist. Es stellt sich jedoch die Frage, ob Personen mit Opioidabhängigkeit, die infolge ihrer krankheitsbedingten kognitiven Defizite Schulungsinhalte vermutlich schlechter (nachhaltig) memorieren und behalten können, genügend Wissen und Fertigkeiten sowie Selbstwirksamkeit und Handlungskompetenz erwerben können, um in einer Notallsituation aufgrund einer Opoidüberdosierung Naloxon effizient (inkl. Erste-Hilfe Maßnahmen,) anzuwenden. Dieser Frage ging diese Arbeit nach. Bei 479 Personen mit Opioidabhängigkeit wurde evaluiert, ob eine manualisierte, speziell an die Möglichkeiten der Zielgruppe angepasste THN-Schulung zu einem Aufbau von genügend Wissen und Fertigkeiten sowie Selbstwirksamkeit und Handlungskompetenz führt und welche Faktoren dies beeinflussen. Dazu wurde vor und nach der Schulung, sowie zu einem Katamnesezeitpunkt der Zuwachs an Wissen und Fertigkeiten überprüft. Handlungskompetenz wurde operationalisiert als in einem Drogennotfall korrekter Einsatz von Erste-Hilfe Maßnahmen, inkl. Einsatz des THN. Entsprechend wurden hierzu 70 Überdosierungssituationen evaluiert, indem eine Befragung nach einem Ersthelfer-Einsatz im Drogennotfall durchgeführt wurde. Es zeigte sich, dass Personen mit Opioidabhängigkeit, unabhängig von ihren soziodemografischen Daten, hochsignifikant Wissen und Fertigkeiten erworben und mittelfristig (im Schnitt 29 Wochen nach der Schulung) behalten (gemerkt) haben. Einfluss auf die Höhe des Wissenszuwachses hatten die Dauer der Schulung (40-90 Min), sowie die Erfahrung der TrainerInnen. Zudem hing der Schulungserfolg von den vermittelten Inhalten, sowie der Didaktik der TrainerInnen ab. Eine knappe, gut strukturierte Vermittlung mit einprägsamen, sehr bildhaften und leicht merkbaren Beispielen scheint einen hohen Wissenszuwachs bei den opioidabhängigen TeilnehmerInnen zu begünstigen. Auch subjektiv profitierten die meisten opioidabhängigen TeilnehmerInnen von der von ihnen als hochsinnvoll und sinnstiftend erlebten Schulung. Die TeilnehmerInnen fühlten sich zudem nach der Schulung und in der Vorstellung, ein Drogennotfall-Kit zu besitzen, deutlich sicherer als vor der Schulung. Das in der Schulung erworbene Wissen zeigten die opioidabhängigen TeilnehmerInnen in allen vier Teilbereichen der Handlungskompetenz durch ihr Verhalten in Opioidüberdosierungssituationen. Sie riefen nicht nur das erlernte Wissen ab, sondern verhielten sich auch eigenständig und – verantwortlich, indem sie die überdosierte Person meist fach- und sachgerecht versorgten. Ebenso konnte eine Steigerung der Selbstwirksamkeit gezeigt werden. Es ergaben sich keine Hinweise auf eine relevante Veränderung (Zunahme) des Konsums. Im Gegenteil gab jedeR vierte ErsthelferIn an, unter dem Eindruck der Notfallhilfe eine neue (Therapie-)Behandlung begonnen zu haben. Grundsätzlich konnte somit gezeigt werden, dass Personen mit Opioidabhängigkeit, unabhängig von ihren soziodemografischen Daten, durch die vorliegende Take-Home Naloxon Schulung genügend Wissen und Fertigkeiten sowie Selbstwirksamkeit und Handlungskompetenz erwerben, um in einer Notallsituation aufgrund einer Opoidüberdosierung effizient Naloxon anzuwenden. Entgegen allen Vorurteilen handeln geschulte opioidabhängige TeilnehmerInnen verantwortungsbewusst und kompetent. Die vorliegende THN-Schulung bewirkt jedoch nicht nur eine Steigerung des Wissens und der Fertigkeiten im Drogennotfall zu helfen, sondern empowert opioidabhängige Personen, offenbar insbesondere durch die zusätzlich erworbene Steigerung der Selbstwirksamkeit und der Handlungskompetenz. Unterstützt werden kann der Aufbau von Wissen, Fertigkeiten, Selbstwirksamkeit und Handlungskompetenz durch eine gute Didaktik und erfahrene TrainerInnen. Entsprechend ist für wirksame THN-Schulungen eine gute Ausbildung der TrainerInnen essentiell. Interessant für die Zukunft wäre auch zu evaluieren, ob sich die 25% TeilnehmerInnen die nach einem Einsatz eine neue Therapie begannen, bestätigen lässt. Würden sich für den in dieser Arbeit vermuteten Zusammenhang zwischen THN-Schulung, Selbstwirksamkeit sowie Handlungskompetenz in Bezug auf die Theorie der Schutzmotivation weitere Belege finden, wäre dies ein Ansatz um Opioidabhängigen weitere für sie offenbar gut annehmbare Motivationswege zu einem selbstbestimmteren, abstinenteren Leben aufzuzeigen.deuNaloxonOpioidabhängigkeitDrogentodPrävention610Einsatz von Take-Home Naloxon in Intoxikationssituationendoctoralthesisurn:nbn:de:bvb:473-irb-542080